STREIFZUG DURCH SIBIU

connect 48/11 – das sind die Künstlerinnen Britta Baßler, Johanna Eder, Martina Fiedler, Franziska Gast, Rosa Quint, Sasubrina Reinmund und Andrea Sienerth. 2016 reisten sie gemeinsam nach Sibiu, eine der bedeutendsten Kulturstädte Rumäniens. Sie erkundeten und erforschten die Stadt aus unterschiedlichen Blickwinkeln – es entstanden Kunstwerke unterschiedlichster Genres, die nun in der Ausstellung mapping sibiu zu sehen sind. Wir haben der Gruppe ein paar Fragen zum Projekt gestellt.

Warum habt ihr euch für Sibiu entschieden für das gemeinsame Projekt? Was hat euch an der Stadt gereizt?

Rosa Quint: Nach Mapping-Projekten in Krakau und Thessaloniki wollten wir noch ein drittes Mal den Osten Europas erforschen. Rumänien wie auch Sibiu – obwohl 2007 Kulturhauptstadt und eine der wichtigsten Städte des Landes – sind hier noch relativ wenig bekannt. Sibiu, das ehemalige Hermannstadt, ist über Jahrhunderte hinweg eng mit der deutschen Geschichte verflochten. Darüber hinaus hat auch eine Künstlerin von connect 48/11 persönliche Bezüge zur Stadt und konnte so Verbindungen zu Institutionen wie etwa dem Teutsch-Haus herstellen.

Johanna Eder: Uns interessierte Rumänien mit Siebenbürgen auch als Land, in dem vielfältige Volksstämme und Kulturen mit ihren Unterschieden seit Jahrhunderten miteinander leben und auskommen wollen. Das ist ein sehr zeitgemäßes, brisantes, europäisches Thema.


Wart ihr vor Ort im Austausch mit dort arbeitenden/lebendenKünstler*innen?

Rosa Quint: Wir haben zwar zeitgenössische Ausstellungen gesehen, aber nur wenig Kontakt mit Künstlern aufbauen können. Einzelne Gespräche führten nicht zu einem vertieften Kontakt.

Britta Baßler: Zum Beispiel haben wir einen jungen Galeristen kennengelernt, der uns schilderte wie schwierig es für zeitgenössische Künstler sei, in Rumänien beachtet zu werden. Er hatte seine Galerie aufgegeben und betreibt nun ein Cafe, in dem er zeitgenössischen Künstlern die Möglichkeit bietet, an die Öffentlichkeit zu treten.

Johanna Eder: Im Nachhinein habe ich übers Internet Kontakt zu einer gleichaltrigen Filmkünstlerin – Ingrid Serban – aus Sibiu bekommen, die das gleiche Thema wie ich bearbeitet: den archaischen Volks-Aberglauben der Strigoi. Allerdings lebt sie in den USA. Wir stehen im künstlerischen Austausch.

Welchen Einfluss hat die Stadt auf die künstlerischen Ausdrucksweisen, mit denen ihr arbeitet?

Rosa Quint: Wie bei jedem City-Mapping-Projekt sind es die Atmosphäre, die Eindrücke, Erfahrungen, Begenungen, aber auch die Materialsammlungen, die dann zu den persönlichen künstlerischen Projekten führen.

Johanna Eder: Auch der intensive Austausch in der Gruppe spielt eine wichtige Rolle. Wir sprechen sowohl in der Vor- und Nachbereitung einer Reise als auch vor Ort über unsere Themen, diskutieren über unsere künstlerischen Arbeiten, arbeiten oft auch gemeinsam an einem Werk. Die Architektur Sibius inspirierte uns diesmal ganz besonders. Es kam uns so vor, als würde uns die Stadt durch die unzähligen Schlitzaugen-Dachgauben beobachten – mal argwöhnisch, mal neugierig. Spuren davon kann man in der Ausstellung finden. In Sibiu taten sich einige von uns außerdem zu einer nächtlichen, szenischen Performance an der alten Stadtmauer zusammen, die aus einem künstlerischen Gruppenprozess heraus entstand. Ein Video dazu kann man in der Ausstellung sehen.


Wie lange habt ihr euch in Sibiu aufgehalten? Wie habt ihr die Zeit dort verbracht?

Rosa Quint: Wir hielten uns eine Woche in Sibiu und Umgebung auf. Wir sind individuell mit Zug und Flugzeug angereist und haben uns vor Ort getroffen. Es gab gemeinsame Unternehmungen und Diskussionen z.B. Ausstellungsbesuche, Führung zur Baugeschichte der Stadt oder eine Fahrt nach Kronstadt. Unserem Konzept entsprechend ist aber auch die individuelle Erkundung wichtig, so dass vieles auch alleine oder in Kleingruppen unternommen und erforscht wurde. In den gemeinsamen Diskussionen über Eindrücke und Erlebnisse schärft sich der Blick dann für das eigene künstlerische Projekt.

Johanna Eder: Besonders eindrücklich fand ich einen gemeinsamen Tagesausflug zu den Kirchenburgen rund um Sibiu und dem vermeintlichen Schloss Graf Drakulas. Man bekommt ein sehr direktes Gefühl für Land und Leute, wenn man offene Augen für die Umgebung hat.


Welche Rolle spielt der touristische Blick für euch und in euren Arbeiten? Kann man ihn ablegen oder muss man ihn immer mitdenken?

Rosa Quint: Es schwierig zu sagen, was den touritischen Blick genau definiert. Sicherlich begegnen wir auch den sogenannten touritischen Highlights und um einen Stadt zu verstehen ist es auch wichtig, sich damit zu beschäftigen. Doch sie werden zumindest zumeist nicht zum Inhalt unserer künstlerischen Projekte. Vielmehr interessiert uns der persönliche Blick als Fremder auf die Stadt, welchen Strukturen man begegnet, wie sie einen beeinflussen und leiten.

Johanna Eder: Was uns in jeder Stadt interessiert, ist unser eigenes Erleben als Fremde, der frische Blick wie zum ersten Mal, oder auch der vorgeprägte Blick mit vielen klischeehaften Vorerwartungen, und wie sich diese mit der originären Erfahrung konfrontieren. So eine City-Mapping Erfahrung hat viele Ebenen.

Eure Gruppe besteht aus lauter Künstlerinnen – versteht ihr euch als feministisches Kunstprojekt?

Rosa Quint: Es hat wohl mit unserer Entstehungsgeschichte zu tun, dass wir „nur“ Frauen sind. Wir verstehen uns nicht als feministisches Kunstprojekt, obwohl die Sicht von Frauen auf eine Stadt, die Situation… vermutlich eine andere ist, als von männlichen Künstlern.

Britta Baßler: Manchmal erscheint es uns jedoch so, dass der weibliche Auftritt in der Öffentlichkeit ein gewisser Türöffner ist. Wir hatten schon sehr nette Begegnungen, die vielleicht einer geschlechtergemischten Gruppe so nicht passiert wären: In Krakau lud uns ein Professor für Design und Kunst zu sich nach Hause ein, um uns seine Kunst zu zeigen. Auch in Thessaloniki kamen wir unkompliziert und rasch in Berührung mit jungen Galeristen, die die Gruppe ansprachen.

Wohin geht es als nächstes für ein weiteres mapping-Projekt?

Rosa Quint: Das nächste City-Mapping-Projekt ist als Kooperatiosprojekt mit der Künstlergruppe „Still Walking“ aus Birmingham angelgt und connect 48/11 wird 2018 nach Birmingham reisen.

 

mapping sibiu
Ausstellung der Gruppe connect 48/11
24. November bis 2. Dezember 2017
Vernissage 23. November 2017 ab 19 Uhr
Begleitprogramm 1. Dezember 2017 19 Uhr,  Klangforschung + Performance
Mi bis Fr 17:30 -19:30
Sa/So 15 -18 Uhr